Seit die US-Regierung sich bei den Glyphosat-Prozessen gegen Bayer (WKN: BAY001) gestellt hat, ist eine zeitnahe Auflösung der Rechtsrisiken wieder in weite Ferne gerückt. Der Chemie- und Pharma-Konzern errang am Donnerstag zwar einen rechtlichen Teilerfolg; am Montag dürfte jedoch die kalte Dusche durch den Supreme Court folgen. Die Aktie fällt am Vormittag um -0,9% auf 64,80 €. Dass der DAX-Titel den Rückschlägen und einem schwachen Börsenumfeld trotzt, hat gute Gründe.

Die Bayer AG mit Sitz in Leverkusen gehört mit rund 100.000 Mitarbeitern und einem Börsenwert von über 65 Milliarden € zu den größten Chemie- und Pharmakonzernen weltweit. Mit der Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto 2016 hat das Unternehmen seine Marktposition ausgebaut, sich jedoch auch Rechtsrisiken ins Haus geholt.

Dritten Glyphosat-Prozess in Folge gewonnen

Im US-Bundesstaat Missouri hat Bayer im Rahmen der laufenden Glyphosat-Schadensersatzklagen ein weiteres Verfahren gewonnen. Die Jury eines Gerichts in Kansas City entschied am Donnerstag zugunsten des DAX-Konzerns und urteilte, dass das Herbizid Roundup nicht für die Krebserkrankung des Klägers Allan Shelton verantwortlich zu machen sei.

Damit hat sich der Chemieriese nun bereits in drei Glyphosat-Prozessen hintereinander durchsetzen können. Zuvor gingen jedoch drei Verfahren in Serie verloren. Die Leverkusener sind noch mit zahlreichen weiteren ähnlichen Klagen konfrontiert.

US-Supreme-Court vor wegweisender Entscheidung

Wichtig für den weiteren Verlauf der rechtlichen Großbaustelle wird eine in Kürze erwartete Entscheidung des obersten US-Gerichts sein. Die neun Richter müssen über die Annahme eines Falls entscheiden, in dem Bayer 2019 einen Schuldspruch kassiert hatte.

Die Leverkusener streben an, dass der Supreme Court das Urteil eines Berufungsgerichts überprüft und kippt, was Signalwirkung für Tausende von ähnlichen Fällen hätte. Am Donnerstag wollten die obersten US-Richter in einer nicht-öffentlichen Sitzung darüber beraten, ob der Fall angehört werden soll. Am Montagmorgen könnten sie bereits bekannt geben, ob sie sich mit dem Antrag von Bayer befassen werden.

US-Regierung grätscht dazwischen

Bis vor einem Monat herrschte im Bayer-Umfeld Zuversicht hinsichtlich der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Dann hat die Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden die Richter jedoch überraschend aufgefordert, die Petition des DAX-Konzerns abzulehnen und damit die Position der Regierung des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump umgekehrt.

Der Supreme Court ist zwar nicht verpflichtet, dem Rat aus dem Weißen Haus zu folgen, tut dies aber in der Regel. Der Generalstaatsanwalt, der oberste Jurist der Regierung, wird daher auch als „zehnter Richter“ bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fall nun angehört wird, schätzen Analysten durch die Bank nun als sehr gering ein. Credit Suisse etwa wies darauf hin, dass das höchste US-Gericht weniger als 1% der eingereichten Fälle annimmt.

Programm, um weitere Klagen zu vermeiden

An dem Tag, als sich die US-Regierung in den Fall eingemischt hatte, fielen die Bayer-Aktien um mehr als -6%. Der DAX-Titel hat sich aber seither wieder erholt, auch wenn das Unternehmen im Falle einer Ablehnung durch das Gericht mit zusätzlichen Prozesskosten in Höhe von bis zu 4,5 Milliarden US$ rechnen muss. Entsprechende Rückstellungen haben die Leverkusener bereits gebildet. Zuvor haben sie bereits einen großen Teil der 11,6 Milliarden US$ auszahlt, die für Vergleiche und Rechtsstreitigkeiten in dieser Angelegenheit vorgesehen waren.

Bayer hat nun erklärt, es bereite sich darauf vor, „weiterzumachen, die Unsicherheit hinter uns zu lassen“ – selbst wenn das Oberste Gericht die Petition des Unternehmens ablehnen sollte. Mit den zusätzlichen Rückstellungen plant der Chemie- und Pharmariese demnach ein Programm aufzusetzen, um in den kommenden 15 Jahren Zahlungen an Kläger zu leisten, die bestimmte Kriterien erfüllen und auf eine Vertretung durch einen Anwalt verzichten.

Die Leverkusener argumentieren zwar beharrlich, dass Roundup bei sachgemäßer Verwendung sicher ist; um weitere Klagen abzuwehren, plant das Unternehmen jedoch, Glyphosat in Unkrautvernichtungsmitteln für nicht-professionelle Gärtner in den Vereinigten Staaten durch andere Wirkstoffe zu ersetzen.

Aktie trotzt dem Glyphosat-Rückschlag

Die Entwicklung der Bayer-Aktie seit Jahresbeginn ist in Anbetracht der Umstände bemerkenswert. Trotz des schwachen Börsenumfelds und der Glyphosat-Grätsche der US-Regierung ist der DAX-Titel seit Anfang Januar mehr als 35% im Plus. Der Monsanto-Ärger hatte dem Kurs der Leverkusener zuvor lange Jahre zugesetzt, dann profitierte das Unternehmen zuletzt jedoch vom starken Agrarumfeld, besseren Perspektiven in der Pharmasparte und Hoffnungen auf ein Ende der Roundup-Streitigkeiten.

Letzteren setzte die Biden-Regierung dann jedoch ein jähes Ende. Von dem Schock erholte sich das Bayer-Papier jedoch prompt und trotz des Glyphosat-Rückschlags trauen die Analysten dem Titel im Schnitt weiterhin ein Kurspotenzial von knapp +20% zu. Entsprechende Impulse sind zwar im Laufe des Jahres nicht mehr von den US-Prozessen zu erwarten; Marktzulassung vielversprechender Arzneimittel-Kandidaten könnten bald jedoch wieder den Kursturbo der Aktie zünden.

Was ebenfalls für den Titel spricht: Trotz der milliardenschweren Belastungen durch die Rechtsstreitigkeiten bleibt in den Bayer-Kassen genug übrig, sodass sich Investoren auch in den nächsten Jahren auf eine gut gedeckte Dividende verlassen können, die im Schnitt rund 4,5% Rendite abwirft.

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